Archiv 2018

Sonntag 09.09.2018Kindertag mit der Clara-Viebig-Realschule Wittlich

Am Sonntag den 9. Sept. 2018 veranstaltete die Gemeinde Eisenschmitt mit dem Förderverein Kultur und Geschichte den diesjährigen Kindertag. Eine Vielzahl von Besuchern, Kindern, Jungendlichen  und Erwachsenen erfreuten sich an einem abwechslungsreichen Programm. Ganz besonderen Beifall fand die Musical-AG der Clara-Viebig-Realschule+  für die großartigen Beiträgen. Aber auch das Folgeprogramm wurde mit Begeisterung aufgenommen, ebenso Falkner Maus und zum Ausklang das Konzert des Musikverein Eisenschmitt mit der Eifelkapelle Gransdorf. Rundum ein gelungener und unterhaltsamer Nachmittag, bei strahlendem Sonnenschein. Allen Mitwirkenden und Helfern, ein herzliches Dankeschön.“


Samstag, 05.05.2018 – Sonntag 06.05.2018

10. Frühlingserwachen -hier der Bericht und Fotos –

Gondenbrett, 5./6. Mai 2018

Auf dem Weg ins Clara – Viebig – Zentrum kamen mir Zweifel, ob ich nicht doch besser nach Trier zu den Feierlichkeiten des 200. Geburtstags von Karl Marx gefahren wäre. Enthüllung der chinesischen Riesenstatue des Philosophen, Auftritte von Prominenten aus allen Bereichen von Politik und Wissenschaft und einen reichlich großen Ansturm des regionalen „Proletariats“, das sich als Schaulustige in die Moselmetropole begeben hätte, würde ich da zu sehen bekommen und mich ewig dieses festlichen  Spektakels erinnern. Stattdessen Eisenschmitt, zum 10. Male Clara – Viebig -Treffen zum Frühlingserwachen. Das mir Bevorstehende konnte unmöglich mit dem Reiz einer Geburtstagsparty dieses Ausmaßes konkurrieren. Warum hatte ich bloß zugesagt? Ausreden hätte es schließlich genug gegeben. Als ich meinen Unmut beim Betreten des Zentrums in Eisenschmitt dann auch noch äußerte, da waren die Blicke, die mich trafen von der Frage begleitet: Was willst Du denn in Trier, ausgerechnet bei diesem Karl Marx? Schließlich hatte ich mich fast ein Jahrzehnt mit seinen Lehrern befasst. Aber mit einem derartigen Argument wollte ich mich in diesem Augenblick gerade nicht brüsten. Also schluckte ich meinen Frust herunter. Der Nachmittag zog sich in die Länge. Viele Gespräche, mancher Scherz machte die Runde und guten Kuchen gab es auch. Gegen Ende steckte jemand einen Stick in ein Gerät und alle horchten auf, als sie die Stimme Clara Viebigs vernahmen. Die alte Dame las eine ihrer Geschichten vor und auffallend war, dass sie mit ihrer Stimme fast echt die Geräusche nachmachte, die die Maschinen verursachten, an den fleißige Frauenhände gerade nähten oder strickten. Immer wieder rollte einem das sich schnell wiederholende „R“ entgegen, das die Viebig für die nächste Naht bereithielt. In diesem Augenblick sprangen meine Gedanken um auf das, was mir in den vergangenen Wochen immer wieder in Marx Büchern begegnet war: Die Arbeit, die Arbeiter und die Arbeiterinnen, mit der Hand, an den Maschinen, der Mehrwert, das Kapital, das Kommunistische Manifest, die Entfremdung, die Ausbeutung und vieles mehr schwirrte mir plötzlich durch den Kopf. Und ich fragte mich, wer das harte Leben der einfachen Leute besser und treffender beschrieben hatte als unsere Clara. Es wurde mir mit einem Male bewusst, dass die Viebig in zahllosen Büchern genau das geschildert hatte, was Marx an der Gesellschaft, in der er lebte, kritisierte und auf heftigste zu verändern suchte. Nur schien die Viebig – gut eine Generation weiter – ihren Marx sehr genau zu kennen, hatte sie doch die Verhältnisse des ausklingenden 19. Jahrhunderts in solche Geschichten gesetzt, die jeder verstand und die nicht erst eines philosophischen Studiums bedurften, um den Zusammenhang von Arbeit und Kapital zu durchschauen. Im Geiste begleitete ich unbewusst die Männer aus Eifelschmitt, sah ihnen im Ruhrgebiet bei der harten täglichen Arbeit zu und machte mir Gedanken, wieso sich die Krupps eine solche Villa Hügel in Essen errichten und leisten konnten. Viebig hat diesen Sachverhalt in ihren Romanen eindrucksvoll geschildert und der marxschen philosophischen, eine literarische Komponente hinzugefügt, die europaweit Eindruck erweckte. Eine kleine Ausstellung der in zahlreiche Sprachen übersetzen Bücher der Schriftstellerin zum 10. Jubiläum der Viebig – Treffen, zeigt eindrucksvoll, welchen Stellenwert die literarische Aufarbeitung der marxschen Thesen in und außerhalb Europas einnahm und wie die Leser danach gierten, sich die schwierig verständlichen sozialen Thesen über die Literatur zugänglich zu machen. Viebig hat wie Gerhard Hauptmann diese Herausforderung angenommen und ein Werk geschaffen, auf das Karl Marx – wenn er nicht vorher verstorben wäre – einen stolzen Blick geworfen hätte. Im Mittelpunkt der neuen Literatur damals standen plötzlich nicht mehr der Hochadel, die Wohlhabenden und die Mächtigen, sondern das Pittchen und seine Frauen in Eifelschmitt oder der Müllerhannes, der genau in das Auf und Ab der von Marx dargelegten Entwicklung des Kapitals passt. So, als hätte Clara Viebig sich vorher intensiv mit den Sozialismustheorien von Karl Marx auseinandergesetzt. Es ist schon verblüffend, wenn einem diese Zusammenhänge unvermittelt bewusstwerden. Nur vor diesem Hintergrund wird denn auch verständlich, warum sich die Machthaber der frühen DDR (Johannes R. Becher!) so sehr um die Viebig rissen. Sie schien ihnen das Sprachrohr für den Sozialismus zu sein, mit dem Markenzeichen des Extravaganten und des Einzigartigen. Diese Qualitätsmerkmale machten die Viebig so wichtig, obwohl sie selbst von Kommunismus und erst recht von sozialistischer Diktatur weit entfernt war und mit diesen Politiken nie in einem Atemzug genannt werden wollte.
Also doch auf der richtigen Veranstaltung gewesen? Daheim angekommen, holte ich die Ordner hervor, in denen die Unterlagen zu den Lehrern von Karl Marx jetzt ruhen. Ich suchte nach den Abiturlisten des Königlichen Gymnasiums in Trier. Karl Marx hatte dort 1835 sein Abitur abgelegt, Ferdinand Viebig, der ältere Bruder der Schriftstellerin, an der gleichen Schule genau 30 Jahre später. Die Viebig war da gerade mal fünf Jahre alt. Aber der große Trierer Philosoph muss zu dieser Zeit schon in aller Munde gewesen sein, das wissen wir aus anderen Quellen (z.B. Carl Schurz. 1848!). Durch Ferdinand hat die Clara eine Vorstellung von den marxschen Thesen gehabt. Diese Sichtweis muss sie wohl interessiert haben, und der Bruder – ein gutes Stück älter – hat dem neugierigen Mädchen erzählt und erzählt, auch als er längst schon die Universität besuchte. Und in Clara reifte eine Vorstellung, von dem, was sie schreiben wollte, was sie schreiben musste.

Hanns-Georg Salm, Mehlener Straße 2, D -54595 Gondenbrett am 6. Mai 2018